Ich bin ständig am Lernen. Wenn ich lernen kann, geht es mir gut. Um zu Lernen, muss es mir wiederum auch gut gehen.
Wir sehen das an Kindern, wie natürlich Lernen statt finden kann, wenn sie sich sicher fühlen. Wie einfach Lernen sein kann, wenn sie sich entspannt und frei fühlen. Ich kann mich noch erinnern, wie meine Kinder stundenlang an einem Bastelstück gewerkt haben, dabei neue, kreative Lösungen für "Probleme" gefunden haben, solange sie nicht hungrig waren, genügend Material vorhanden war und wenig Ablenkung von Aussen kam. Und solange sie das Gefühl hatten, sie konnten machen was sie wollten, ohne Bewertungen oder Erwartungen.
Wir erleben diese Vertiefung im Lernen als Erwachsene immer noch, wenn uns etwas wirklich interessiert, wenn wir spüren, dass es wichtig ist oder wenn wir vor einem Problem stehen, das gelöst werden muss. Wir lernen, um unseren Horizont zu erweitern, neue Fähigkeiten zu den schon vorhandenen zuzufügen, um bessere Chancen im Beruf zu haben, oder einfach um uns neu zu erfahren. Auch als Erwachsene brauchen wir dabei emotionale Sicherheit, um wirklich etwas Neues aufnehmen und es umsetzten zu können.
Ein großer Teil des Lernens in meinen Workshops und Trainings findet über die Auseinandersetzung mit dem Körper statt. Bewegen, Gestalten, Berühren sind unmittelbare Erfahrungen, die nicht nur unsere mentale, sondern unsere gesamte physische und emotionale Aufmerksamkeit einfordern. Ich erlebe es immer wieder, dass wenn ich TeilnehmerInnen physisch herausfordernde Aufgaben gebe, sie oft intensiver bei der Sache sind, als wenn es "nur" eine theoretische Aufgabe ist. Die Teilnehmerinnen entwicklen oft einen gewisser Ehrgeiz, eine Wachsamkeit bei spielerischen, sozialen Aufgaben , die bei reiner verbalem Vermittlung oft fehlen. (Ich finde theoretische Inputs total wichtig, vor allem auf einer Aus- und Fortbildungsebene, allerdings braucht es davor die eigene Erfahrung.)
Der Neurobiologe Gerald Hüther spricht davon, dass etwas "unter die Haut" gehen muss, damit es nachhaltig im Gehirn verankert bleibt. Wir können zwar kurzfristig Fakten und Dinge speichern, allerdings "begreifen" tun wir es nur, wenn wir es gespürt haben. Genau diese Erkenntnis erleben wir im Holistic Dance immer wieder. Erlebe ich eine neue Begegnungs- oder Seinsqualität auf ganzheitliche Weise, begreift es auch unser ganzes System. Es braucht vielleicht Reflexion, Wiederholung und weitere Facetten dazu, aber es kommt an.
Viele von uns haben allerdings sowohl in der Kindheit als auch als Erwachsene Erfahrungen gemacht, bei denen uns Bewertungen eine freie Lernerfahrung vermiest haben. "Lustige" Kommentare, abwertende Nebensätze, rollende Augen oder schlichtweg verletzende Kritik von LehrerInnen, Eltern, KollegInnen oder ChefInnen können tiefe Wunden in uns hinterlassen und jeglichen kreativen Flow unterbrechen. Eine zynische Bemerkung des Vaters, wenn der 12 jährige Sohn Ballet lernen möchte, die Ungeduld einer Klavierlehrerin, das Schnaufen einer Chefin im Teammeeting. Ein vielleicht sogar gut gemeinter Satz von der Mallehrerin in der Schule "das ist so nicht richtig..." kann oft reichen um einen Glaubenssatz wie "ich kann nicht malen" für's ganze Leben zu verankern. Wir kennen viele solcher Szenarien, die damit enden, dass wir glauben "das wird nichts, also mach ich es auch nicht"...
Etwas Neues entspannt zu lernen, braucht Raum zum Scheitern. Und zwar das das ganz unelegante, holprige, wiederholte, genussvolle Scheitern. Wir brauchen liebevolle Aufmerksamkeit von unseren LehrerInnen, wir brauchen Vorbilder die vorleben, dass Scheitern ein Teil vom Ganzen ist und wir brauchen Mut uns unseren Glaubenssätzen zu stellen und sie zu zu hinterfragen. Ganzheitliches Lernen bringt uns an unsere Grenzen und um diese Grenzen bewusst zu erweitern, benötigt es sichere, freie und gehalten Räume.
(c) Olga Berdikyan
Danke. Das macht Sinn.