Gerade eben komme ich aus meinem Workshop "Tonus Awareness" und bin zu tiefst berührt über die Langsamkeit, mit der wir durch das Wochenende bewegt haben. Das Tempo einer Übung, eines Übergangs, der Entwicklung eines Workshops ist immer geprägt von der Gruppe und der Bereitschaft der Teilnehmer*Innen sich auf die inneren Prozesse einzulassen. Das Thema Tonus hat mit Loslassen, in den Boden sinken, mit Verlangsamung zu tun. Der tatsächliche Prozess, der statt findet ist immer von den Teilnehmer*Innen abhängig, von dem gemeinsamen Feld, das sich auftut. Das Geschenk der Verlangsamung ist Verbindung, mit dem Selbst, mit körperlichen und seelischen Prozessen, die uns im Alltag verborgen bleiben, weil wir zu schnell sind, zu schnell wieder etwas anderem unsere Aufmerksamkeit widmen. Ebenso in der Verbindung mit anderen, erlaubt uns Langsamkeit Genauigkeit und Achtsamkeit, sehen und gesehen werden. Wo bin ich und wo bist du und wo ist der gemeinsame Tanz? Und in der Verbindung mit dem Raum, der Atmosphäre, der Gruppenenergie, der Tagesqualität finden wir einen Anker zu einem größeren Feld. Das Erstaunliche ist für mich immer wieder, wieviele spirituelle Weisheiten in der Erforschung des Körpers wohnen. Durch die langsame, genaue, liebevolle Auseinandersetzung mit den zutiefst subjektiven Empfindungen unseres Somas empfangen wir Hinweise, auf die viele spirituelle Lehrer beständig pochen. Hingabe, Achtsamkeit, Mitgefühl, Loslassen, Nicht-Wertung, im Moment Sein. Aus persönlicher Sicht finde ich es spannend, dass das Thema Langsamkeit so viel Platz in meiner Arbeit bekommt, da ich, wie viele von euch wissen, eher schnell im Leben unterwegs bin. Natürlich werde ich auch älter und die Langsamkeit bekommt dadurch mehr Bedeutung, aber vorrangig schätzte ich das Prinzip der Tiefe und die daraus resultierende Leichtigkeit als Lebens- und Bewegunsgqualität, die Paradoxität des Loslassen. Wenn wir als Tanzpädaog*Innen genug Vertrauen in den Prozess des Tanzes finden, finden die Teilnehmer*innen Ruhe, Zufriedenheit, Verbundenheit und Hingabe zu dem was ist.Das klingt alles ziemlich eso, aber es sind tatsächliche Erfahrungswerte. Wir können als Teil der derzeitigen Zeitqualität des Spätherbstes, im Umgang mit dem Wahnsinn unserer Welt, einen kleinen Beitrag leisten, indem wir uns verlangsamen. Vielleicht nur ein kleines bisschen, vielleicht eine Stunde am Tag, vielleicht während einer Haushaltstätigkeit. Am Schluss des Workshops meinte eine Teilnehmerin, dass sie während des Workshops dass Gefühl hatte, die Zeit würde vorbei fliegen, wie wenn sie in einer andere Zeitsphäre wäre. Kann sein, dass das unsere Körperzeitsphäre ist.
(c) Nadja Meister
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